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Deutung von geistlichen Textpassagen

Zwei Perspektiven, zwei Sichtweisen. ORF-Moderatorin Sandra Szabo und Martin Dürnberger, Leiter der Salzburger Hochschulwochen, zeigen ihre Interpretation von geistlichen Textpassagen und wie die Inhalte gedeutet werden können.

Aufgezeichnet von Henning KLINGEN

miteinander 3-4/2025

miteinander-Magazin 3-4/25

1. Korinther 6,9-11
Wisst ihr denn nicht, dass Ungerechte das Reich Gottes nicht erben werden? Täuscht euch nicht! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, weder Ehebrecher noch Lustknaben, noch
Knabenschänder, noch Diebe, noch Habgierige, keine Trinker, keine Lästerer, keine Räuber werden das Reich Gottes erben. Und solche gab es unter euch. Aber ihr seid rein gewaschen,
seid geheiligt, seid gerecht geworden im Namen Jesu Christi, des Herrn, und im Geist unseres Gottes.“

DÜRBERGER: Was will Paulus zwischen den Zeilen mitteilen – oder teilt er mit, ohne es vielleicht zu wollen? Hier sagt er mir: dass es offensichtlich von Beginn an keine triviale Übung war, Jesus nachzufolgen. Schon in den ersten Gemeinden gibt es unterschiedliche, teils sogar völlig irreführende Vorstellungen davon, was es heißt, „in Christus zu sein“. Der Mythos der reinen Ursprünge, der einfachen Klarheiten am Beginn, der einmütigen Solidarität ist eben das: ein Mythos.

SZABO: Ein Text, der zutiefst berührt; ein Vers, der die Bedeutung von Verzeihung und Vergebung hervorstreicht; Worte, die glauben lassen können, dass jeder Mensch das Potenzial
hat, Altlasten hinter sich zu lassen. Veränderung ist möglich und schuldhafte Geschichte
wird nicht totgeschwiegen oder gar verleugnet, sondern transformiert. Niemand ist für
immer an seine Fehler gebunden, eine Botschaft, die auch zur Selbstreflexion anspornt
und als Ansporn zum ethischen Wachstum verstanden werden kann.

 

Matthäus 10,34-36
„Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, um den Sohn mit
seinem Vater zu entzweien und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter; und die Hausgenossen eines Menschen werden seine Feinde sein.“

DÜRNBERGER: Ein möglicher Subtext: Nachfolge ist ein Projekt der Ernüchterung – man
darf sich keine Illusionen machen. Sucht man ein Handbuch für mehr Ausgeglichenheit
für sich und die Seinen, ist das Evangelium nicht die erste Wahl! Vielleicht ist Nachfolge
ein wenig wie Kinderhaben: Viele Paare beschreiben die eigenen Kinder als das Beste, was
ihnen je passiert ist – aber das Leben mit Kindern zeigt zugleich die eigenen Grenzen auf,
es erzeugt neue Konflikte und befreit nicht magisch von Problemen.

SZABO: Jesus von Nazareth, der Friedensfürst, ein Kriegstreiber? Ein Familienzerstörer? Jesus
von Nazareth, der Provokateur. Da ist zunächst das Schwert. Doch, es ist nicht die Rede
von Krieg, auch nicht von Gewalt, die eigentlichen düsteren Gegenüber des Friedens. Das
Schwert hingegen, das scheidet. Gut und Böse. Wahrheit und Lüge. Vertrauen und Missachtung. Es gibt Momente, in denen man sich entscheiden muss. Falsch verstandene Harmonie kann träge machen und blenden. Wer für Überzeugungen einsteht, riskiert Widerspruch und das kann auch zu Spannungen im persönlichen Umfeld führen. Worte, die auffordern, einen eigenen Weg zu gehen, und dennoch bleibt die Provokation, die Herausforderung.

 

Markus 10,21
„Da sah ihn Jesus an, und weil er ihn liebte, sagte er: Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe, was du hast, gib das Geld den Armen, und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel
haben; dann komm und folge mir nach!“

DÜRNBERGER: Zwischen den Zeilen steht vielleicht, dass man nicht zwischen den Zeilen
suchen soll – es gibt keinen doppelten Boden, obwohl man ihn gerne hätte. Die Forderung
ist so klar und eindeutig, dass sie sich nicht durch hermeneutische Kunststücke wegdeuteln
lässt: Es geht um wirkliches, wirkliches Loslassen dessen, was man besitzt – und was
einen besitzt. Das ist keine Bösartigkeit, sondern Jesus sagt das seinem Gesprächspartner,
weil er ihn liebt.

SZABO: Wer schon einmal lange Strecken zu Fuß gegangen ist, weiß, wie wenig man braucht,
um gut am Ziel anzukommen. Und wer schon einmal in einem großen Haus einsam war,
weiß, wie glücklich man in einer gelungenen Beziehung auf 20 Quadratmeter leben kann.
Und nein, es ist nicht Armut, die glücklich macht. Ein armutsbetroffener Mensch hat nicht
die Wahl, Hab und Gut zu teilen oder nicht. Jesus von Nazareth fordert dazu auf, Verantwortung für andere zu übernehmen. Eine spirituelle Solidarität, die ein Weckruf sein kann.

 

Jesaja 24,4-6
„Die Erde welkt, sie verwelkt, die Welt zerfällt, sie verwelkt, Himmel und Erde zerfallen. Die Erde ist entweiht durch ihre Bewohner; denn sie haben die Weisungen übertreten,
die Gesetze verletzt, den ewigen Bund gebrochen.“

DÜRNBERGER: Hier lese ich weniger apokalyptische Fabulierlust als subkutane Bestürzung:
Himmel und Erde werden etwa in Dtn 30,19 als ewige und unverrückbare Zeugen angerufen
– aber sie zerfallen. Maßstäbe, Sicherheiten, Ordnungen erodieren – das Haus des
Lebens selbst ist fragil. Und es sind die Menschen, die verantwortlich sind: nicht bloß für
einzelnes Leben, sondern eben für das gesamte Haus des Lebens selbst. Das ist wahlweise
ein Gedanke voll Hybris – oder extremer Nüchternheit.

SZABO: Prophetische Worte, die in unsere Zeit fallen. Bilder von Überschwemmungen,
Erdrutschen, Dürre und Bränden tauchen auf. Naturkatastrophen, angetrieben durch den
Klimawandel, die für viele Menschen bittere Realität sind. Der austro-brasilianische Altbischof
Erwin Kräutler spricht gerne von „Mitwelt“, wenn von Schöpfungsverantwortung,
Klimagerechtigkeit und Umweltschutz die Rede ist. Jesaja motiviert, dieses „Mit“ mehr in
den Kontext zu stellen: mit Mitverantwortung, Mitgefühl, im Miteinander.

 

Levitikus 19, 26-28
„Ihr sollt nichts mit Blut essen. Wahrsagerei und Zauberei sollt ihr nicht treiben. Ihr sollt euer Kopfhaar nicht rundum abschneiden. Du sollst deinen Bart nicht stutzen. Für einen
Toten dürft ihr keine Einschnitte auf eurem Körper anbringen und ihr dürft euch keine Zeichen einritzen lassen. Ich bin der Herr.“

DÜRNBERGER: Ein möglicher Subtext hinter den Einzelanweisungen: Das Wort des Herrn
ist kein Teilzeitprojekt, sondern existenziell erstaunlich konkret und umfassend – der mit
Gott geschlossene Bund betrifft nicht bloß bestimmte biografische Partien, sondern will in
einem ganzen Leben „inkarnieren“. Den letzten Satz lese ich nicht als finale Bekräftigung,
sondern Mahnung: Vergesst über all dem aber nicht, wer der eigentliche Herr ist – es geht
nicht um einzelne Gebote als Gebote, es geht um Gott!

SZABO: Es geht hier um Abgrenzung. Religiöse Vorschriften, die sich gegen heidnische
Praktiken richten. Doch geht es hier tatsächlich nur um Verbote? Und wenn es so ist, welche
Gebote passen dann besser in die heutige Zeit: Foto-Filter, Botox, Schönheitswahn,
exzessiver Körperkult, Shopping-Rausch? Welche Abbilder erschaffen wir, um geliebt zu
werden? Um Anerkennung zu finden? So manche Abgrenzung wäre wieder gefragt.

 


miteinander-Magazin 3-4/25

Sandra Szabo
ist Religionsjournalistin und Moderatorin des ORF-Magazins „Orientierung“.

miteinander-Magazin 3-4/25

Dr. Martin Dürnberger
ist Professor für Fundamentaltheologie und Ökumenische Theologie am Fachbereich Systematische Theologie der Universität Salzburg und Leiter der Salzburger Hochschulwochen.

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