Mag. Lukas Cioni
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miteinander-Magazin
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miteinander 3-4/2025
Unter dem Dachgiebel des Gasthauses Essiger in Mittersill stehen drei Männer. Die Wandmalerei in Form eines Medaillons erinnert an ein verziertes Osterei. Eine Hilfestellung des Künstlers für weniger bibelfeste Gäste, welche Szene sein Bild beschreibt. Ums Eck vom Essiger befindet sich das Seniorenheim. Die meisten seiner Bewohnerinnen und Bewohner können stante pede auch ohne Osterei-Tipp die biblische Vorlage für dieses Bild nennen. Sie sind noch mit dem Bibel-Code groß geworden, können die im öffentlichen Raum übrig gebliebenen sakralen Chiffren sehen, lesen und entschlüsseln.
Unlängst ging ich mit einem meiner Kinder, am Weg zu einem Besuch im Seniorenheim, unter dem Drei-Männer-Bild vorbei. Ob sie wisse, fragte ich die 15-Jährige, wer die drei Gestalten unterm Gasthaus-Giebel sind. „Der in der Mitte ist der Jesus“, antwortete sie rucki, zucki und machte mich glücklich. Zumindest religiöses Basiswissen konnte ich der nächsten Generation weitergeben. Mit den beiden links und rechts von Jesus wusste sie trotz Osterei-Tipp nichts anzufangen. Meine Schuld, am Ostermontag gehen wir traditionell die letzte Skitour der Saison und nicht in die Kirche.
„Bleib doch bei uns; denn es wird bald Abend, der Tag hat sich schon geneigt“, rezitierte ich den Text zum Bild und frohlockte, wie passend ich die Emmaus-Jünger über einer Gasthaustür finde. Dann kamen wir ins Reden, dass so wie sie sich in meiner Gedankenwelt immer wieder schwertut, ich in der ihren, in den Bildern, Wörter und Geschichten ihrer Generation immer öfter verloren bin, weil nicht anschlussfähig, weil ohne Stecker für die mitschwingenden Zwischentöne und Assoziationen.
Ein Meister, die Jesus-Geschichten anschlussfähig zu machen, war der Evangelist Lukas, dessen Texte dieses Kirchenjahr bespielen. Er lieferte die meisten Vorlagen für die christliche Kunst, er prägte die zentralen Szenen und Bilder vom Gott Jesus, von der Krippe in Betlehem bis zum Gastmahl in Emmaus. Rembrandt malte diese Runde gleich viermal aus verschiedenen Blickwinkeln. Am meisten mag ich das Bild, wo Jesus in dem Moment das Brot bricht, als ein Kellner mit vollem Teller zum Tisch tritt. Denn das könnte doch heißen, es braucht immer jemanden, die oder der Gott serviert.
Wolfgang Machreich
ist freier Journalist, Autor und Redaktionsmitglied des miteinander-Magazins.