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Gleich an Würde und Rechten

Interview mit Amnesty International Geschäftsführerin Shoura Hashemi

Seit 1961 kämpf Amnesty International für Menschenrechte. Im miteinander-Gespräch erläutert Amnesty-Österreich-Geschäftsführerin Shoura Hashemi die weltweite Zunahme autoritärer Regime, Gewalt an Frauen und was Menschen tun können, um die gesellschaftliche Toleranz zu stärken. Das Gespräch führte Lukas CIONI

miteinander 3-4/2025

miteinander-Magazin 3-4/25

Sie sind Menschenrechtsaktivistin. Wie kam es dazu?
Aufgrund meiner Familiengeschichte ist mein Aktivismus eine Fügung, die vorhersehbar war. Im Iran war meine Familie im Widerstand gegen das Regime, einige sind hingerichtet worden, meine Eltern waren in Isolationshaft und Folter ausgesetzt. Ich selbst wurde Juristin, arbeitete 15 Jahre im diplomatischen Dienst im österreichischen Außenministerium. Durch die Ereignisse im Iran 2022 und meinen beginnenden Aktivismus im Zuge der „Woman, Life, Freedom“-Bewegung wurde die Vereinbarkeit mit meiner diplomatischen Arbeit unmöglich. Meine Menschenrechtsarbeit war 2023 somit der Hauptgrund, vom Außenministerium zu Amnesty International zu wechseln.


Wie beurteilen Sie die Freilassung politischer Gefangener im Iran?
Diese Entwicklung sehe ich ambivalent. Die Freilassungen sind auf den gesellschaftlichen Druck und unsere Arbeit zurückzuführen. Gleichzeitig setzt das Regime aber strategische Signale, um eine Öffnung gegenüber dem Westen unter dem neuen Präsidenten Massud Peseschkian zu demonstrieren. Freilassungen wie jene von Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi oder dem Musiker Toomaj Salehi sind auch taktische Manöver.


Was bedeuten Ihnen Glaube und Religion?
Aufgewachsen bin ich in einem areligiösen Haushalt. Wie bei vielen Menschen aus dem Iran wurde Religion nicht thematisiert – weniger wegen des Glaubens, sondern aufgrund des Kampfes gegen ein theokratisches System. Ich selbst glaube an die Kraft, die man in sich trägt. An die Kraft, die Gutes bewirkt. Ich glaube daran, das Leben anderer verbessern zu können, und an Nächstenliebe.


Weltweit erleben wir eine Zunahme autoritärer Regime. Welchen Einfluss hat das auf Ihre Arbeit?
Der Trend zu Autoritarismus stellt uns vor große Herausforderungen. Unsere Strategie für die nächsten vier Jahre fokussiert auf vier Schwerpunkte: den Kampf gegen Autoritarismus, wissenschaftliche Expertise, Ehrenamtsförderung und die Bewahrung der Unabhängigkeit durch gezieltes Fundraising. Erkennbar sind bedenkliche autoritäre Tendenzen im Inland und in Nachbarländern wie Ungarn oder Polen. Unser Ziel ist es daher, das gesellschaftliche Gegengewicht zu stärken.


Mit welchen Folgen rechnet Amnesty angesichts der erneuten Trump-Präsidentschaft?
Unsere US-Sektion rechnet damit, von der Trump-Regierung unter Druck gesetzt zu werden. Aufgrund der zu erwartenden Repressalien werden hier strategische Vorkehrungen getroffen. Der Vorteil von Amnesty International ist die weltweite finanzielle Unabhängigkeit. Wir nehmen keine Förderungen an, sind überparteilich und zu 100 Prozent spendenfinanziert. Unsere weltweite Struktur erlaubt uns zudem eine hohe Flexibilität, um schnell reagieren und unsere Arbeit fortsetzen zu können.


Rechte von Frauen werden oft durch vermeintlich traditionelle oder religiöse Normen unterdrückt – wie reagiert Amnesty International darauf?
Im Vordergrund steht für uns immer die Universalität der Menschenrechte. Religiöse, naturalistische oder kulturelle Normen rechtfertigen keine Verbrechen wie etwa Genitalverstümmelung. Die Instrumentalisierung, etwa von Religion und Kultur, muss aufgedeckt und die Täter müssen zur Verantwortung gezogen werden.


2024 gab es in Österreich 27 Femizide. Wie beurteilen Sie die Situation für Frauen in Österreich?
Jede dritte Frau in Österreich hat ab ihrem 15. Lebensjahr Erfahrungen mit sexueller und/oder häuslicher Gewalt. Wir fordern einen nationalen Aktionsplan zur Gewaltprävention und eine bessere Zusammenarbeit von Bund und Ländern. Derzeit wird die Verantwortung weitergegeben und die Rechtslage ist zersplittert. Gewaltschutzambulanzen etwa sind ein richtiger Schritt, müssen aber zügig umgesetzt werden. Präventive Männerarbeit und bessere Monitoring- Systeme, um die erhobenen Zahlen in aussagekräftige Statistiken gießen zu können, sind ebenfalls notwendig.

 

Wie kann Österreich einen Beitrag zum Schutz der Menschenrechte leisten?

Österreich sollte seine Neutralität nutzen, um als Mediator zu agieren. Das Land könnte im Rahmen des Weltrechtsprinzips gezielter gegen Menschenrechtsverletzer vorgehen. Staaten wie Deutschland oder Frankreich machen vor, wie man internationale Verantwortung lebt. Gerade Österreich hat mit dem UN-Sitz in Wien einen regen Reiseverkehr – darunter auch Personen, die keine reine Weste haben. Hier könnte Österreich immer wieder Personen festnehmen und Ermittlungen einleiten.

 

Rassismus und Toleranz in Österreich – wie beurteilen Sie die Situation?
Rassismus und Polarisierung nehmen deutlich zu. Politische Narrative wie die Kriminalisierung von Asylsuchenden schüren Spannungen. Wir müssen den Dialog suchen und Menschen aus ihrer Blase holen.  Wir bei Amnesty sprechen mit allen demokratisch gewählten Parteien – wie etwa mit der FPÖ. Inhaltlich und thematisch verschieden, aber es gibt Punkte, in denen es konstruktiv wird. Dann wächst die gegenseitige Toleranz. Das Fazit lautet malso: Raus aus der eigenen Komfortzone und den Dialog suchen, speziell wenn dieser unangenehm ist.


Sie bilden mit Frau Stephanie Geier die Doppelgeschäftsführung von Amnesty International Österreich. Warum gibt es in unserem Land noch immer wenige Frauen in Führungspositionen?
Zum einen gibt es eine Art gläserne Decke in der Arbeitswelt – bis hier hin und nicht
weiter. Ohne Fürsprecher ist es für Frauen schwierig, Führungspositionen zu erreichen. Zusätzlich stellen die männlich dominierten Entscheidungsstrukturen sowie die Vereinbarkeit von Karriere und Care-Arbeit, wie Kinderbetreuung oder Pflege, Herausforderungen dar. Als Mutter zweier Kinder kenne ich diese selbst. Generell sollten Frauen mehr netzwerken sowie sich gegenseitig mehr bestärken und fördern.

 

Wie behalten Sie persönlich den Glauben an das Gute?
Meine Arbeit gibt mir Kraft, auch wenn sie oft belastend ist. Es macht mich glücklich,
Menschen zu helfen, ihnen beizustehen oder Kriegsverbrechen so detailliert wie möglich zu dokumentieren. Mein Streben nach Gerechtigkeit treibt mich jeden Tag an. Freilassungen von politisch Gefangenen, verfolgten Personen Schutz bieten zu können und Fortschritte in der nationalen und weltweiten Menschenrechtsarbeit sind für mich wertvolle Lichtblicke – es sind eben jene Momente, die mir zusätzlich Kraft geben. Zusammenfassend ist mein Sinn für Gerechtigkeit mein stärkster Motor.

 


miteinander-Magazin 3-4/25

Shoura Hashemi

ist Menschenrechtsaktivistin, studierte Juristin und seit 2023 Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich.

 

Web-Tipp:

Amnesty International Österreich

 


Internationaler Frauentag
Zum ersten Mal 1911 in Dänemark, Deutschland und Österreich-Ungarn zelebriert, erinnert der internationale Gedenktag am 8. März an die Forderungen der Geschlechtergerechtigkeit und den weltweiten Schutz der Frauenrechte.

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