Mag. Lukas Cioni
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Stille. Nur ein mattes Licht dringt von draußen in den Saal. Einige Bücher stapeln sich auf den Lesepulten. In der Bibliothek der Barnabiten im Salvatorianerkloster in der Wiener Innenstadt scheint die Zeit stillzustehen. Wer sie betritt, fühlt sich um Jahrhunderte zurückversetzt. Rund 5.800 Bücher stehen hier in den Regalen. Papierne Zeitzeugen – die meisten über 200 Jahre alt.
Unerforschte Schätze
Es sind also wahrhafte Schätze, die Pater Peter van Meijl dort verwaltet. Vorsichtig nimmt er ein Buch aus dem Regal. Es ist ein Predigtheft der Barnabiten – wie viele andere Bücher einzigartig und noch nicht grundlegend erforscht. Sicher ist, dass viele davon in der Zeit der Gegenrefor- mation entstanden sind, als die Barnabiten 1626 vom habsburgischen Herrscherhaus unter Ferdinand II. nach Wien geholt wurden, um die Untertanen vom katholischen Glauben zu überzeugen – etwa durch gehaltvolle Predigten.
Im Jahr 1923 musste der Orden der Barnabiten Stadt und Land verlassen, da sie hohe Schulden hatten und die Ordensdisziplin kräftig gesunken war. So verkauften sie einige Bestände nach London. Der wertvolle Kern des Bibliothekbestands wie Inkunabeln, mit beweglichen Lettern in der Frühzeit des Buchdrucks gedruckte Werke, und grafische Werke wurden 1924 angeblich an den Grafen Oswald Seilern verkauft. Einige von ihnen befinden sich bis zum heutigen Tag in London. Das Barnabitenkloster sowie weitere Niederlassungen in Wien und Niederösterreich wurden von der Ordensgemeinschaft der Salvatorianer übernommen.
Über der Bibliothek
Doch woran kann Peter van Meijl die Bestände voneinander unterschieden? Das sei anhand deren Entstehungszeit möglich, erklärt der frühere Pfarrer der Michaelerkirche – etwa ob sich darin ein Stempel befindet. Nicht nur in der rund 180 Quadratmeter großen Bibliothek, sondern auch im Depositorium, das sich darüber befindet, stößt er immer wieder auf unbekannte Bücher, die er anschließend ordnet und inventarisiert. „Ich versuche, die Bibliothek zu verstehen und zu erfahren, was barnabitischen und salvatorianischen Ursprungs ist.“ Vor vielen Jahren sprach ihn eine junge Mutter aus der Pfarre an, da sie die Bücher in einer Datenbank erfassen wollte. Doch der Pater winkte dankend ab und machte ihr deutlich, dass es wesentlich sinnvoller sei, diese wissenschaftlich zu erforschen – gemeinsam mit den Bibliotheken anderer Ordensgemeinschaften, die sich in einem ähnlichen Zustand befinden.
Zurück zu den Wurzeln
Verglichen mit anderen Bibliotheken dieses Alters, machen Feuchtigkeit oder Bücherwürmer den Beständen hier nicht zu schaffen, freut sich der Bibliothekar und legt das Predigtheft wieder zurück. Bis vor 40 Jahren lagen viele Bücher zerstreut im Raum oder gar vor den Regalen am Boden. Niemand interessierte sich dafür. Erst sein Vorgänger ordnete und strukturierte sie, auf dass der Ort zu einer „Schaubibliothek“ werde. Als der gebürtige Niederländer van Meijl im Jahr 2002 die Pfarre St. Michael als Seelsorger übernahm, beschäftigte er sich auch mit dem Haus und dessen Geschichte. An der barocken Bibliothek kam er nicht vorbei. Seit er sie das erste Mal sah, habe ihn das Interesse an der Geschichte des Ordens und den Büchern, die davon erzählen, nicht mehr losgelassen.
Für die Nachwelt erhalten
Der Ordensbibliothekar ordnet das Predigtheft aus dem 18. Jahrhundert wieder ein. Es sei hier noch einiges zu tun, ist der 75-Jährige überzeugt. Jede Woche verbringe er hier einige Stunden – nicht nur, um die vorhandenen Schätze zu sichten, sondern auch um sie aufzuarbeiten. Aber um alle vollständig zu heben, erfordere es viel Zeit, erzählt der Salvatorianer, der sich bereits während seines Studiums im belgischen Löwen eingehend mit der Geschichte der Salvatorianer auseinandergesetzt hat. „Meine Aufgabe ist es, dass hier alles so bleibt, fachgerecht verwaltet wird und dieser besondere Ort für die Nachwelt erhalten bleibt.“
Die Barnabiten-Bibliothek
im Salvatorianer-Kolleg St. Michael ist privat und öffentlich nicht zugänglich. Nur im Rahmen von Führungen kann sie besichtigt werden. ▶ www.michaelerkirche.at