Mag. Lukas Cioni
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miteinander-Magazin
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Deinen oder meinen oder einen gemeinsamen Namen? Große Feier oder nur im kleinen Kreis? Agape im Freien – und was, wenn es regnet? Bevor diese und ähnlich wichtige Fragen rund um die Hochzeit beantworten werden müssen hat ein Paar eine viel wesentlichere Entscheidung bereits getroffen. Nämlich jene für den Partner bzw. die Partnerin für’s Leben. Diesen Menschen will ich lieben und achten alle Tage meines Lebens. Einen solchen Entschluss trifft man im besten Fall nur einmal im Leben.
Dabei fällt die Wahl für den Partner oder die Partnerin gar nicht so bewusst, wie man denkt. Nur 10 Prozent macht das Aussehen aus, die restlichen 90 Prozent werden unbewusst entschieden, sind die Paartherapeuten Sabine und Roland Bösel überzeugt: Meine Erfahrungen, negative und positive, prägen mich und bestimmen so auch meine Partnerwahl mit. Nur wenn ich auf jemanden treffe, der – so wie in Platons Mythos vom Kugelmensch – mir entspricht, mich ergänzt, tritt ein Gefühl von Seelenverwandtschaft ein. Und das verspricht eine lange Beziehung.
Entscheidung braucht Zeit
Ob man mit dem Gegenüber eine gute Wahl getroffen hat, stellt sich nach Erfahrung der Bösels, die bisher rund 3000 Paare begleitet haben, übrigens nach etwa sechs Monaten heraus. Da ist in den meisten Fällen die erste Verliebtheit abgeklungen, in der wir nur das sehen, was wir sehen wollen. Wenn die rosarote Brille einmal abgesetzt ist, werden Ecken und Kanten sichtbar und Beziehung geht erst richtig los.
Und auch das Treffen von Entscheidungen wird dann nicht wirklich einfacher. Das Therapeutenpaar, das selbst seit über 40 Jahren zusammenlebt, rät, miteinander zu sprechen, sich Zeit zu nehmen und einander aktiv zuzuhören – gerade bei wichtigen Fragen wie etwa jener nach dem Kinderwunsch. Gute Entscheidungen brauchen ihre Zeit zum Reifen, Argumente dafür und dagegen von beiden Partnern müssen abgewogen werden. Und: Trifft man dann eine Entscheidung, muss diese von beiden getragen werden, denn: „Wenn einer verliert, haben beide verloren.“
Das gilt auch, wenn eine Beziehung zerbricht und man den Entschluss zur Scheidung fällt. Wenn Machtkämpfe, Verzweiflung, Streit die Beziehung dominieren, ist eine Trennung oft die einzige Lösung. Bevor ein Paar diesen Schritt setzt, empfehlen ihnen die Paartherapeuten, sich Zeit zu nehmen: Um eine solche Entscheidung treffen zu können, braucht man nach zehn Jahren Beziehung etwa ein Jahr Zeit zur Klärung, um ohne Druck gemeinsam den Entschluss zu fassen. Denn wer sich zu schnell trennt, dem begegnen dann oft danach Probleme. Alte Probleme werden in die neue Beziehung mitgeschleppt.
Verabschieden und vergeben
Dabei sprechen die beiden Therapeuten lieber von „Verabschiedung“ als von „Scheidung“. Dazu gehört, hinzuschauen und zu reflektieren: „Was war gut, was schlecht in der Beziehung, was nicht mehr sein wird? Welche Visionen, Wünsche, Träume, Hoffnungen verabschiede ich, die so nicht mehr wahr werden? Lassen sich Partner auf diesen Prozess ein, können sie einander vergeben. Und sie erkennen oft, warum sie sich einst gerade diesen Menschen ausgesucht haben.
Und manchmal eröffnet ein solcher Prozess der Verabschiedung neue Wege, erzählen die Bösels: Wer sich von einer Projektion seines Partners verabschiedet, kann dem anderen wieder neu begegnen. Und vielleicht mit dem alten Partner eine neue Beziehung beginnen. Das wäre dann das Ende der Scheidung, eine Ent-Scheidung.
Buchtipp
Sabine und Roland Bösel: Liebe, wie geht’s? 52 Impulse für gelingende Beziehungen, Orac-Verlag, ISBN 978-3-7015-0628-6, € 22,00