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Aus dem neuen »miteinander«

Sag es niemandem!

Opferschutz

Ein Forscherteam der Universität Wien, rund um die Psychologin Brigitte Lueger-Schuster, hat die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche durch die Unabhängige Opferschutzkommission wissenschaftlich begleitet. Im miteinander-Gespräch blickt die Wissenschaftlerin zurück. Das Interview führte Sandra LOBNIG

miteinander 9-10/2024

miteinander-Magazin 9-10/24

Frau Prof. Lueger-Schuster, was sind die wesentlichen Ergebnissen Ihrer Forschungen zu den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche?
Die Personen, die sich auf Einladung der Opferschutzkommission damals bei uns gemeldet haben, wurden schwerst missbraucht und alle haben massive psychische Folgen davongetragen. Diese umfassen posttraumatische Belastungsstörungen, Depressionen und Suizidalität bis hin zu Alkohol- oder Drogenmissbrauch. Gezeigt hat sich auch, dass ganz wenige von nur einer Form von Missbrauch betroffen waren. Die meisten wurden sexuell, psychisch und körperlich missbraucht.


Fast 50 Prozent der betroffenen Personen hatten zum Zeitpunkt der Erhebung mit posttraumatischen Belastungsstörungen zu kämpfen. Dieser hohe Anteil ist ungewöhnlich. Wie erklären Sie sich diese massiven Auswirkungen des Missbrauchs?
Der Missbrauch zog sich über einen sehr langen Zeitraum und passierte sehr oft. Dazu kommt, dass die Betroffenen offensichtlich keine Hilfe erhalten haben. Männer haben uns erzählt, dass sie mit ihren Eltern über die Geschehnisse gesprochen haben und diese sie zu ihnen gesagt haben: „Sag es niemandem!“ Sie haben ihr Kind nicht aus der Einrichtung rausgenommen. Die Angst vor dem Einfluss der Kirche und vor den Folgen war zu groß. Bei den Kindern stellte sich daraufhin das Gefühl ein, nichts wert zu sein. So etwas führt zu einer langfristigen psychischen Erkrankung.


Welche Rolle spielen Entschädigungszahlungen und öffentliche oder persönliche Entschuldigungen bei der Verarbeitung solcher Traumata?
Das ist von Person zu Person unterschiedlich. Für manche sind solche Zahlungen sehr wichtig. Sie können ein sichtbares Zeichen und zumindest eine Form von Anerkennung sein, aber eine echte Entschädigung sind sie natürlich nicht. Anderen wiederum war es viel zu wenig. Auch was Entschuldigungen betrifft und Gespräche mit den Tätern oder jemandem, der die Kirche repräsentiert, sind die Reaktionen unterschiedlich. Für manche ist das sehr wichtig, andere meinen, es sei viel zu spät. Einige der Opfer wollten ihre Täter klagen, hatten sich dann aber mit den Verjährungsfristen abzufinden. Das war für viele nicht leicht, weil sie wieder einmal die Erfahrung machen mussten, dass sie nicht gehört werden. Grundsätzlich kann man sagen: Die Anerkennung als Opfer ist ein wichtiger Schritt und zeigt den Betroffenen klar: Sie sind nicht schuld.

 

Seit Ihrer Studie sind elf Jahre vergangen. Hatten Sie den Eindruck, dass die Ergebnisse in der katholischen Kirche ausreichend rezipiert wurden?

Das weiß ich nicht. Ich weiß, dass die Studie im Vatikan gelesen wurde. Von der offiziellen Kirche in Österreich wurden die Ergebnisse zur Kenntnis genommen.

 

Inwieweit haben sich die Gespräche mit den Teilnehmern im Rahmen der Studie auf deren Verarbeitung des ihnen angetanen Leids ausgewirkt?

Nach der Beendigung der Studie sind immer nwieder Teilnehmer bei uns im Büro vorbeigekommen oder haben angerufen. Ich würde sagen, die Studie hat dem Thema und den Betroffenen ein Stück weit gesellschaftliche Anerkennung gegeben. Für die Betroffenen hatte das durchaus einen hohen Wert.

 


miteinander-Magazin 9-10/24

Dr. Brigitte Lueger-Schuster

lehrt und forscht als Professorin am Institut für Klinische und Gesundheitspsychologie der Universität Wien.

 

 

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