Mag. Lukas Cioni
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miteinander 9-10/2024
Die Volksmund-Rechnung „Was’ wiegt, das hat’s“ passt für die Seele nicht. Die wiegt viel mehr, als beim Experiment des US-Arztes Duncan MacDougall rausgekommen ist. 1902 legte dieser Menschen zum Sterben auf eine Präzisionswaage. Einmal gelang es ihm, 21 Gramm Gewichtsunterschied vor und nach dem Tod eines Patienten zu messen. Seither gibt es diese Theorie, laut der die Seele gleich schwer wie eine Handvoll Kaffeebohnen oder ein vier A4-Blätter langer Brief sei. Ein Oscar-nominierter Film, genauso wie ein Indiepop- Lied, beide mit Titel „21 Gramm“, thematisieren Leben und Tod und den Moment dazwischen. Auch Bestsellerautor Dan Brown („Da Vinci Code“) nutzte das angebliche Seelengewicht für einen weiteren Roman voller Verschwörungstheorien. Wobei seine Seele nur 18 Gramm wiegt.
Die Seele ein Leichtgewicht? Aristoteles hätte jeden ausgelacht, der die „psyche“, die Lebendigkeit an sich, mit einer Waage messen wollte. Oder Goethe, der die Seele mit Wasser verglich: „Vom Himmel kommt es / Zum Himmel steigt es.“ Ohne Seele als wertvollstes Pfand, das Faust in der Wette mit Mephisto einsetzt, gibt es keine Tragödie erster und zweiter Teil. Genauso wenig wie die vielen anderen Teufelswetten um menschliche Seelen, bei denen es um alles oder nichts geht.
Ein solcher Wetteinsatz ist auch die Teufelsbrücke in der Schweiz. Am Weg auf den Gotthard bin ich einmal über diese Brücke gewandert. Eine wilde Gegend, glatte Granitwände links und rechts der Schlucht, tief unten rauscht die Reuss. „Do sell der Tyfel e Brigg bue!“, schimpfte ein Bergler, als vor langer Zeit der oft versuchte Brückenbau wieder einmal scheiterte. Da stand der Teufel schon da und baute die Brücke. Die Seele dessen, der zuerst darüber gehe, war sein Lohn. Da schickte das schlaue Volk einen Geißbock über die Brücke. Der Teufel tobte, holte einen haushohen Stein, um die Brücke zu zerschlagen. Eine fromme Frau überredete ihn aber zu einer Rast, während der sie ein Kreuz in den Stein ritzte.
Damit hielt ein anderer, Stärkerer seine Hand über den 13 Meter hohen Granitblock. Der Teufel ward nie mehr gesehen; der „Teufelsstein“ aber liegt noch immer im Tal, 2000 Tonnen schwer und trotzdem immer noch zu leicht für eine Seele. Wetten!
Wolfgang Machreich
ist freier Journalist, Autor und Redaktionsmitglied des miteinander-Magazins.