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miteinander 7-8/2024
Eine Sommerbrise streift durch die Blätter. In der Ferne braust der Autoverkehr. Die Pfarrkirche von Weikendorf-Dörfles liegt in der Ortsmitte der Weinviertler Gemeinde. „Herzlich Willkommen“, begrüßt Christoph Pelczar den Besucher und wandert – vorbei an Kreuzen, Bildern, jeder Menge bunter Fußballtrikots sowie einer Muttergottes – in die Pfarrkanzlei.
Rundes Leder, fester Wille
1997 zog Pelczar von Krakau nach Wien, um an der Universität sein Theologiestudium abzuschließen. „Es war der Wille Gottes, dass ich Priester werde“, ist der 48-Jährige überzeugt, der ursprünglich Profi-Fußballer in der polnischen Bundesliga werden wollte. Seit über 21 Jahren ist er inzwischen Pfarrer der Gemeinde Weikendorf-Dörfles. „Heute sind der Altar und die Pfarrgemeinde meine Heimat“, erzählt Pelczar.
Aber nicht nur sie: Seine Laufbahn als Fußball-Seelsorger begann vor Jahren, als er bei einer Hochzeit mit dem Brautpaar in der Kirche gemeinsam kickte. Sie spielten mit zwei Fußbällen: einem aufgepumpten und einem nicht aufgepumpten. Für ihn symbolisieren beide die Ehe zwischen zwei Personen, die immer wieder mit frischer Luft aufgepumpt werden müsse, damit sie in Bewegung bleibt. Durch Unachtsamkeit kann der Ball liegen bleiben und Luft verlieren. Nicht nur die Familien des Paares – auch einige Funktionäre von SK Rapid Wien waren bei der Trauung dabei und wurden auf die besondere Zeremonie aufmerksam. Danach kam einer von ihnen auf den Priester zu und fragte ihn, ob er ein Seelsorgekonzept für die Hütteldorfer ausarbeiten könnte.
„Vor jedem Spiel ziehen wir im Andachtsraum gemeinsam einen Bibelvers."
Match statt Kaffee
Fußball habe nichts Erlösendes und sei daher auch nicht mit einer Religion vergleichbar, erklärt Pelczar. Wenn jemandem aber etwas heilig sei, greift man gern auf Religion zurück, weil der Begriff am höchsten stehe und einen Wert genieße. Das sei im Bewusstsein vieler Menschen verankert. Die Rituale vor Beginn eines Matches haben aber manche Gemeinsamkeiten mit einer heiligen Messe: Der Einzug, der Gesang und die Hymne, der Rauch und die Pokale erinnern den Seelsorger jedes Mal daran. Dadurch werde die Besonderheit eines Spiels betont und werden Emotionen sowie Werte von Spielern und Zusehern gezeigt. Dann ist die Stimmung am Höhepunkt. „Statt sieben Espressi brauche ich nur ein 90-minütiges Match, um voller Energie zu sein“, so Pelczar. „Vor jedem Spiel ziehen wir im Andachtsraum gemeinsam einen Bibelvers“, erzählt Pelczar, der auch als Inspirationstrainer und Mentalcoach bei SK Rapid Wien im Einsatz ist. „Wir beten den Rosenkranz. Das soll die Kicker vor dem Anpfiff inspirieren, auf dem Spielfeld ihr Bestes zu geben. Denn aus der mentalen Begleitung und dem Glauben schöpfen sie viel Kraft“, weiß der Priester, der bei jedem Match mitfiebert.
Glauben als Verbindung
Bereits während der Fußball-Europameisterschaft im Jahr 2008 war Pelczar als Seelsorger im Einsatz, indem er etwa eine sogenannte „Jesuszone“ in der Wiener Innenstadt schuf, die Fans anzog. Viele Gäste aus Polen, Italien und Spanien besuchten im Laufe der Spiele die Gottesdienste, die in Pfarren in Wien und Umgebung gefeiert wurden. Der Glaube verbinde so wie der Fußball nicht nur die Menschen eines Landes, sondern auch Nationen, ist Pelczar überzeugt. Für ihn ist Jesus Christus ein Provokateur, der nicht drohte, sondern die Herzen der Menschen erreichte, sie anspornte und ihnen viel Kraft gab. Das sei bis heute der Fall – auch im Sport, ist der Pfarrer überzeugt.
Lebenselixier
Als eine besondere Herausforderung sieht Pelczar seine Funktion als Präsident des SV Stripfing/Weiden im Weinviertel. Mit dieser Mannschaft möchte er in Zukunft noch größere Erfolge feiern. Ein Leben ohne Fußball und sein Engagement als Rapid-Seelsorger und für seine Heimatpfarre kann sich Pelczar heute jedenfalls nicht mehr vorstellen. Für ihn sei dies ein unverzichtbares Lebenselixier: „Ja, der Ball des Lebens spielt mit mir“, sagt der Fußball-Enthusiast. „Ich muss den Ball immer nur in Bewegung halten, damit er weiterrollt und auch im Tor ankommt.“
Christoph Pelczar
ist Priester, Pfarrer in Weikendorf-Dörfles und Seelsorger des SK Rapid Wien sowie Vereinsobmann des SV Stripfing.